Und plötzlich ist alles anders.
Die Corona-Zeit ist die Zeit des Wörtchens „eigentlich“ und des Konjunktivs. Eigentlich wollte ich Ende März für zwei Wochen nach Andalusien fliegen. Es wäre der erste richtige Urlaub seit 6 Jahren gewesen. Ich hätte mir all die wunderbaren Städte und Bauwerke ansehen wollen, die mich schon seit vielen Jahren faszinieren. Eigentlich hätte ich mich auch im Mai mit Freundinnen getroffen, die aus verschiedenen Ländern der Welt angereist wären. Und eigentlich könnte ich nun Text-Aufträge bearbeiten, von einem wunderbaren Kunden aus der Reisebranche. Ich hätte auch noch genug andere Themen auf meiner Liste, die ich in meinem Blog verarbeiten wollte. Hätte, wäre, könnte, würde.
Doch seit einigen Wochen leben wir in einer Art Parallel-Universum, von dessen Existenz wir bislang keine Ahnung hatten. Plötzlich ist alles anders und die wichtigste Eigenschaft des Menschen besteht darin, sich flexibel an die neuen Verhältnisse anzupassen und dabei weder in Depression noch in Panik zu verfallen.
Nun will ich hier nicht die Gefährlichkeit des Virus oder die Sinnhaftigkeit der einzelnen Maßnahmen diskutieren. Das machen andere mit (hoffentlich) besserem Hintergrundwissen schon zur Genüge. Ich vertraue darauf, dass wir in Deutschland gut durch diese Krise kommen werden, auch wenn schon jetzt absehbar ist, dass uns die Folgen noch jahre- und jahrzehntelang beschäftigen werden. Ich bin dankbar dafür, in einem Land zu leben, das erstens zu den reichsten der Welt gehört und außerdem immerhin über eine gut funktionierende Demokratie zu verfügen scheint. Dass wir unsere Lebensweise inklusive internationaler Reisen und globalisierter Wirtschaft überdenken müssen, halte ich eher für einen positiven Nebeneffekt und weniger für eine Katastrophe.
Was mir allerdings wirklich Sorgen macht, ist die Aussicht, dass es immerhin im Bereich des Möglichen liegt, dass autoritär geführte Staaten – insbesondere China – womöglich in ein paar Monaten besser dastehen als die demokratisierte Welt. Dieser Gedanke löst bei mir eine ähnliche Endzeitstimmung aus, wie ich sie aus den 1980er Jahren noch in vager Erinnerung habe. Damals befürchtete man die Auslöschung der Menschheit durch einen Atomkrieg. Das Reaktorunglück von Tschernobyl gab einen Vorgeschmack auf mögliche Folgen unseres Handelns – der Mensch hatte eine Technologie erschaffen, deren Folgen er nicht mehr kontrollieren konnte. Daran hat sich bis heute meines Wissens nichts geändert.
Heute haben wir durch das Zusammenwachsen der Erdteile mittels Flugreisen und Globalisierung dafür gesorgt, dass sich Krankheitserreger schneller über den ganzen Erdball ausbreiten als die Menschheit sinnvoll darauf reagieren kann. Ob die Demokratie mit all den Errungenschaften, die wir so sehr schätzen – Freiheit des Individuums, Meinungsfreiheit, Schutz der Minderheiten – dieser neuen Herausforderung gewachsen ist, muss sich erst zeigen. Ihre größte Stärke bringt dabei ihre größte Schwäche mit sich: Die mühsame Suche nach Kompromissen und die Bewertung von Fakten und Studien brauchen Zeit. Ich will nicht in einem Land leben, in dem Maßnahmen, die die Grundrechte massiv einschränken, ruckzuck ohne gründliche Prüfung von oben angeordnet werden. Ich will auch nicht in einem Land leben, in dem man sich nur noch mit Mundschutz begegnet und sich niemand mehr umarmt.
Aber werden wir schnell genug sein, um uns auf Dauer im Wettstreit mit dem chinesischen Modell behaupten zu können? Ich möchte gerne daran glauben. Die Alternative wäre viel zu deprimierend. Und wieder landen wir beim Konjunktiv. Ich würde mich so sehr freuen, wenn es bald wieder gute Nachrichten gäbe.