Der Autor ist selten ein unparteiischer Richter seiner eigenen Sachen (Johann Wolfgang von Goethe)

Warum ein Blog?

Wer diese Frage bei Google eingibt, bekommt auf Anhieb mindestens zehn Gründe genannt. Die meisten haben irgendwie mit Gefundenwerden und Präsenz im Netz zu tun, wahlweise auch mit gesteigerten Zugriffszahlen auf die eigene Homepage und/oder Alleinstellungsmerkmalen gegenüber der Konkurrenz. Zum allgemeinen Marketing-Sprech gehören Begriffe wie Content, Leserbindung und Feedback. Ich hatte bis vor Kurzem nur eine ziemlich einfache Webseite, kein Facebook-Profil und ganz sicher kein Blog. Dafür haben in den letzten Jahren doch erstaunlich viele Kunden zu mir gefunden. Hm.

Trotzdem habe ich nach nur fünf Minuten Recherche das Gefühl, dass mir bislang vieles entgangen ist, ja, ich mein Potenzial geradezu nachlässig verschwendet habe. Seltsam, dass mir das bislang noch nie aufgefallen ist. Auftritt: schlechtes Gewissen, der treue Begleiter aller Selbstständigen. Ich könnte doch noch, sollte ich nicht?

Gegenfrage: Wenn alles und jeder bloggt (und schreibt und sendet), wieso soll ich da auch noch mitspielen? Dieselbe Frage stellt sich bei Facebook (und natürlich auch allen anderen nur vorgeblich sozialen Netzwerken) – warum muss mich jede kleine Äußerung von Hinz und Kunz interessieren? Und wieso sollte ich meine „Freunde“ mit ständigen Kommentaren und Ergüssen belästigen? Von morgens bis abends Informationen, Tweets und allerlei Plings aus verschiedenen Richtungen lösen bei mir eher Abwehrreaktionen aus. Kontaktaufnahmen, um die ich nicht gebeten habe, empfinde ich oft als Störung. Wenn ich arbeite, gehe ich nicht mal mehr ans Festnetztelefon, geschweige denn an die Tür. Wieso sollte es anderen da anders gehen?

Der Kern des Problems: Man muss etwas zu sagen haben. Und zwar etwas, das für den Leser bzw den Empfänger der Nachricht eine gewisse Relevanz hat. Das scheint mir bei vielen Postings auf Facebook nicht wirklich gegeben. Die Information, dass in Leipzig gerade ein Gewitter runtergeht, brauche ich nicht wirklich. Und wenn doch, dann schaue ich aus dem Fenster. Trotzdem verbringen viele Menschen offenbar viel Zeit damit, ihre persönliche Sicht auf die Welt mithilfe eigener Texte und Fotos, aber noch öfter mit dem Weiterleiten fremden Materials in die Welt zu posaunen. Warum tun die das? Haben die alle nichts zu tun?

Um den inneren Antrieb zu verstehen, muss man das Ganze vielleicht psychologisch betrachten. Ich als völliger Laie vermute, dass es darum geht, gesehen zu werden. Hinter jedem Post und jedem Blogbeitrag steht in Großbuchstaben: SCHAUT MICH AN! ICH HAB WAS ZU SAGEN. UND ZWAR DAS HIER

Im Prinzip ist dieses Motiv weder neu noch verwerflich. Auch die traditionellen Medien bieten Menschen mit übergroßem Sendungsdrang ein weites Spielfeld. Immerhin wird in Redaktionen noch nach Nützlichkeit und Richtigkeit gefiltert. Das hoffe ich zumindest, obwohl ich auch hier gelegentlich Zweifel habe. In den sogenannten sozialen Medien ist das anders. Jeder bestimmt selbst, welcher Inhalt wichtig sein sollte. Besonders ärgerlich ist es, dass man von Facebook ungefragt die Postings aller Freunde – und zahlungskräftiger Unternehmen – angezeigt bekommt. Was, wenn ich zwar mit demjenigen befreundet sein will, aber kein Interesse an täglichen Updates habe? Dann müsste ich mich entfreunden. Blöd. Das könnte die Schwiegermutter womöglich missverstehen. Und was, wenn ich nun Dinge von meinen Freunden erfahre, die ein ganz ungutes Licht auf sie werfen? Auch nicht schön. Manches hätte man lieber nicht gewusst.

Anders ist das nur bei Seiten, denen man folgen kann, da fällt es kaum auf, wenn man sein Abo kündigt. Oder bei einem Blog. Den könnt ihr nun also lesen, wenn ihr wollt. Oder ihr lasst es bleiben. Ich bekomme davon nur etwas mit, wenn ihr auf Facebook oder Xing kommentiert. Das Recht auf Nicht-Wissen-Wollen bleibt davon unberührt. Versprochen.