Home sweet home.
Was die Frage „Wo kommst du her?“ alles bedeutet – oder eben nicht.

Das Wort Heimat hat seit einiger Zeit keine besonders gute Lobby. Das liegt natürlich vor allem daran, dass Heimat immer wieder als Kampfbegriff von Nationalisten missbraucht wird – in Deutschland und anderswo.

Trotzdem steckt sie tief in uns allen: die Sehnsucht nach der Heimat. Wenn wir im Ausland leben, meldet sie sich gelegentlich als Heimweh, und da der mobile Lebensstil heute immer mehr Leute auch innerhalb Deutschlands verpflanzt, haben immer mehr Menschen eine zweite oder gar dritte Heimat. Wer wie ich schon als Kind in mehreren Ländern gelebt hat und/oder Eltern hat, die aus unterschiedlichen Kulturkreisen stammen, den kann die einfache Frage „Wo kommst Du her?“ gründlich verwirren. Und wer in Deutschland geboren und aufgewachsen ist, dabei aber türkische Vorfahren hat, reagiert auf diese Frage auch schon mal dünnhäutig. Im Netz gab es verschiedene Diskussionen, ob das Stellen der bösen Frage an sich nicht schon ein Angriff ist, da man damit impliziere „von hier kommst Du ja offensichtlich nicht“.

Aber was verstehen wir überhaupt unter unserer Heimat? Was und wer gehört dazu? Und warum sind wir so empfindlich, wenn uns jemand danach fragt?

Der deutsche Anteil meiner Gene schlägt zunächst einen Blick in den Duden vor. Da steht unter dem Begriff Heimat:
Land, Landesteil oder Ort, in dem man [geboren und] aufgewachsen ist oder sich durch ständigen Aufenthalt zu Hause fühlt (oft als gefühlsbetonter Ausdruck enger Verbundenheit gegenüber einer bestimmten Gegend)

Man kann also eine Heimat haben, in der man nicht geboren, sondern nur aufgewachsen, ja, sogar nur länger gelebt hat. (Nimm das, Pegida!) Das Wort Heimat drückt ein Gefühl der Verbundenheit gegenüber dem Ort aus – und zwar von der Person, die den Ort als Heimat bezeichnet. Was nicht dort steht, ist: Die Menschen, die seit grauer Vorzeit dort leben, bestimmen, wer ihren Ort als Heimat bezeichnen darf. Gut zu wissen.

Aber ist Heimat nicht irgendwie viel mehr als nur ein Ort? Bezeichnet das nicht auch das Gefühl der Geborgenheit, der Zugehörigkeit zu bestimmten Menschen (die eben an diesem bestimmten Ort leben)?

Im Hebräischen gibt es den Ausdruck „Mishpacha“. Das bedeutet so etwas wie Familie, Klan, Stamm, Verwandtschaft, aber auch eine soziale Gruppe wie Freunde. Auf Deutsch gibt es die Wörter „Clique“ oder „Bande“, im Englischen die „Gang“.
Third Culture Kids – das sind Menschen, die einen Teil ihrer prägenden Jahre im Ausland oder in mehreren Ländern verbracht haben (mehr dazu findet man hier) – können oft keinen konkreten Ort nennen, den sie als Heimat bezeichnen. Sie fühlen sich eher mit bestimmten Menschen zu Hause, oder eben dort, wo ihre Mishpacha gerade ist und sie sich zugehörig fühlen. Das Gefühl von Heimat entsteht für sie durch Verbundenheit mit Menschen. Ich behaupte sogar, dass das für alle gilt, sogar für die, die ihre Heimat nie verlassen haben. Mit anderen Menschen verbunden zu sein, uns zugehörig zu fühlen, ist ein elementares Bedürfnis jedes Menschen, und genau deshalb reagieren wir so sensibel, wenn unsere Heimat infrage gestellt wird.

Dabei – und das muss man eben auch mal feststellen – denken sich die meisten wirklich gar nichts dabei, jemanden zu fragen, wo er herkommt. Neugierde, freundlicher Small Talk und über irgendwas muss man ja schließlich reden….Gerade in meiner neuen Heimat Leipzig ist die Frage nach der Herkunft ein beliebter Gesprächseinstieg, denn hier ist bis heute und ständig viel Bevölkerungszuwachs von überallher und die meisten haben Spaß am Austausch.
Die wenigsten werten das als Angriff. Und mit dem Austausch sorgt man dafür, dass es sich wieder wie Heimat anfühlt. Auch wenn man weder in Leipzig geboren noch aufgewachsen ist.