Wie ein Netzwerk zum Sprungbrett wird

Wir Menschen sind soziale Wesen und schon deshalb waren die Kontaktbeschränkungen im Zuge der Corona-Krise für viele eine Herausforderung. Gerade für Soloselbstständige (wie mich) ist ständiges Netzwerken und Kontakte knüpfen ein wichtiger Baustein zum Erfolg, denn persönliche Empfehlungen sind noch immer die beste Werbung und der einfachste Weg, neue Aufträge an Land zu ziehen. Aber wie kommt man eigentlich zu einem tragfähigen Netzwerk? Und woran entscheidet sich, wie man dabei am besten vorgeht?

Als Sprachfetischist suche ich zunächst nach einer Definition und werde im Duden fündig.
Netzwerk – Gruppe von Menschen, die durch gemeinsame Ansichten, Interessen o. Ä. miteinander verbunden sind.

Das klingt doch positiv. Trotzdem hat das Netzwerken nicht bei allen einen so guten Ruf. Man stellt sich irgendwie vor, dass man sich beim Netzwerken an potenzielle Gönner – seien es nun Kunden oder Lieferanten – ranwanzt und schmierige Deals abschließt. Der Übergang vom Netzwerk zur Kungelei ist ein schmaler Grat. Trotzdem bleibt mir als freier Texterin nichts anderes übrig, als mir ein berufliches Netzwerk aufzubauen, sonst wird das nämlich auf lange Sicht nichts mit dem Geld verdienen.
Also mal anders herum gedacht: Gibt es Netzwerke, die ich schon habe und vielleicht noch besser nutzen könnte?

Tatsächlich ist jeder Mensch Teil eines Netzwerks, es sei denn, er oder sie lebt als Eremit in der Einsamkeit. Jeder von uns hat Beziehungen zu Familie, Freunden und Bekannten. Und natürlich lässt sich auch dieses bereits vorhandene Netzwerk hervorragend für berufliche Themen nutzen. Es beginnt damit, dass man allen (auch denen, die es gerade nicht hören wollen) davon erzählt, was man tut. Einige meiner besten Kontakte haben sich aus solchen Gesprächen ergeben, im Sinne von: „Ach, da müsstest du dich aber mal mit Soundso unterhalten. Die macht was ganz Ähnliches und ihr hättet sicher vieles, worüber ihr euch austauschen könntet.“ Vorteil: Auch Kontakte funktionieren am besten über Empfehlungen. Und die eigenen Freunde können meist ganz gut einschätzen, wer zu einem passt.

Trotzdem spüren die meisten Selbstständigen schon bald das Bedürfnis nach einem beruflichen Netzwerk, denn für konkrete Fragen und Anliegen braucht man ja eine Anlaufstelle. Ohne täglichen Austausch am Kaffeeautomat oder in der Mittagspause fehlt uns Freiberuflern nämlich ein wichtiges Ventil.
Als erster Anlaufpunkt eignen sich am besten Berufsverbände, die jedoch oftmals Eintrittshürden (wie Gebühren oder den Nachweis von Arbeitsproben) haben. Hier muss man also meist sorgsam auswählen. Kostenlose Schnuppermitgliedschaften gibt es leider nicht überall. Aber über die sozialen Medien wie Facebook, Xing oder LinkedIn findet man inzwischen auch lose Interessengruppen zu fast jedem denkbaren Thema.

Für mich beginnt ein echtes Netzwerk jedoch mit dem persönlichen Austausch. Das sieht Wikipedia genauso. Dort finde ich: Die Beziehungsstärke der Akteure untereinander wird bestimmt durch die emotionale Intensität, den Grad des Vertrauens, die Reziprozität und die gemeinsam verbrachte Zeit.

In dieser Beschreibung finde ich vieles wieder, was wir in der Textwache für uns Lektoren haben. Und der Texttreff bietet mir eine emotionale Heimat für alle Fachfragen, die mir zum Thema Texten so einfallen. Leider musste die Jahrestagung des Texttreffs in diesem Jahr wegen Corona ausfallen – ich hätte gerne die vielen Namen, die ich jetzt schon aus dem Netz kenne, mit Gesichtern und echten Menschen verbunden und Zeit mit Fachsimpeln, Austausch und Anregung verbracht. Denn trotz der beruflichen Aspekte, sollte man den Spaß nicht vergessen.

Echte Netzwerke entstehen nämlich nicht, wenn ich nur konkret nach Aufträgen suche und sonst nichts mit diesen Menschen zu tun habe. Viel wichtiger ist mein eigenes Interesse und die Neugierde darauf, was die anderen machen. Am Ende gewinnen dadurch alle: Wenn ich weiß, was andere tun, dann kann ich auch mal einen Kunden weiterreichen, dem die Kollegin besser helfen kann als ich. Und im umgekehrten Falle kann ich wiederum profitieren. Auch wenn ich mal ratlos bin oder mich über etwas geärgert habe, dann sind meine Kolleginnen von der Textwache oder vom Texttreff diejenigen, die davon erfahren. Ihnen kann ich sagen, wenn ich gerade mit etwas überhaupt nicht weiterkomme oder aber einen tollen Auftrag an Land gezogen habe. Als sonst Einzelkämpfer ist dieses Quasi-Kollegen-Feeling ziemlich unbezahlbar. Konkurrenzkämpfe gibt es wider Erwarten überhaupt keine, obwohl es naturgemäß bei unseren Tätigkeiten Überschneidungen gibt. Im Gegenteil – wir lernen viel voneinander, staunen gelegentlich über die Fähigkeiten der anderen und unterstützen uns gegenseitig, insbesondere wenn es um das heikle Thema Honorare geht.

Wie findet man nun aber das perfekte Netzwerk für sich selbst? Das ist sicher eine Typfrage und nicht für jeden gleich zu beantworten. Ob ein virtuelles Netzwerk oder Offline-Treffen besser funktionieren, muss man leider ausprobieren. Ich persönlich bin ein großer Fan von echten Treffen, da ich es immer wieder faszinierend finde, was Menschen sonst noch so in ihrem Leben tun.

Das Beste am Netzwerken ist aber eigentlich, dass man vorher nie weiß, was daraus entstehen könnte. Ich wusste zum Beispiel vor einem Jahr noch nicht, dass ich mal einen Podcast einsprechen würde und hätte das alleine auch sicher nicht angefangen. Doch über verschiedene Kontakte meiner Freunde lernte ich Claudia Richardt vom RealLab kennen, und nun sind schon 13 Folgen vom Trüffelkompass online. Mehr dazu hier (Onlineversion) und hier (Podcast).

Ob nun offline oder online – jedes gute Netzwerk lebt vom Geben und Nehmen. Wenn Sie sich also vernetzen, dann überlegen Sie zunächst, was Sie selbst beitragen können. Es kommt eher schlecht an, wenn man beim ersten Post oder ersten persönlichen Kennenlernen sofort fürs eigene Buch wirbt oder ganz offensichtlich nur daran interessiert ist, wer einen jetzt persönlich weiterbringen kann. Natürlich darf man drüber reden, wer man ist und was man macht. Aber eben nicht ausschließlich. Wer erwartet, dass sich gleich bei der ersten Begegnung DIE Kontakte finden und der weitere Erfolg nun von selbst kommt, der dürfte mit großer Wahrscheinlichkeit enttäuscht werden.

Erfolgreiches Netzwerken ist nichts für Ungeduldige. Wer sich aber wirklich für die anderen interessiert, von sich aus konstruktive Vorschläge macht oder auch nur die richtigen Leute zusammenbringt, sammelt über die Zeit ganz von selbst Sympathiepunkte.

Und dann kann aus dem Netzwerk irgendwann einmal ein Sprungbrett werden.