Aus der Reihe:
Und wenn ich keinen Mann finde? Dann machst du dir einfach ein schönes Leben.

Vor einigen Jahren kam ich auf der Fähre nach Wangerooge ins Gespräch mit einem netten älteren Paar. Irgendwann fragte mich der Mann: „Und Sie sind wirklich ganz alleine?“ Ihm war deutlich anzusehen, dass er das für sehr gefährlich hielt und er sich auch nicht vorstellen konnte, warum man so etwas tun sollte – allein verreisen.

Nun ja, antwortete ich. Ich bin schon groß. Großes Gelächter auf der Fähre. Im Übrigen bin ich ja nicht nach Alaska gefahren, wo mich wilde Tiere hätten anfallen können. Obwohl das sicher auch seinen Reiz hätte. (Alaska, nicht die wilden Tiere.)

Inzwischen verreise ich regelmäßig alleine, mal nur für ein paar Tage, mal für eine Woche. Für eine längere Reise alleine nehme ich noch Anlauf, aber in meinem Bekanntenkreis gibt es einige Frauen, die auch längere Auslandsreisen alleine unternehmen und bisher habe ich darüber noch nichts Negatives gehört. Wieso können sich so viele von uns eine Reise alleine trotzdem so schlecht vorstellen? Wahrscheinlich einfach noch nicht ausprobiert, oder?

Wenn ich über meine Urlaubsplanung mit Freunden spreche, gibt es auf das Thema mangelnde Reisebegleitung zwei typische Reaktionen. Die erste sind etwas mitleidige Blicke, ob der Tatsache, dass ich alleine fahre („Und gehst Du dann auch alleine essen und so?“). Ähm, ja. Natürlich gehe ich auch alleine essen, man will ja im Urlaub nicht hungern. Bei der zweiten möglichen Reaktion blitzt in den Augen meiner Gesprächspartner tatsächlich so etwas wie leiser Neid auf. Ganz alleine wegfahren? Ohne dass einem irgendjemand reinredet?

Guter Punkt. Es ist nämlich gar nicht so einfach, sich zu überlegen, was man selbst gerne möchte. Städteurlaub? Wandern? Sport und/oder Erholung? Ein Reiseziel mit vielen kulturellen Highlights oder lieber Naturerlebnisse? Oder alles zusammen? Ist mir nach Zugfahren oder will ich irgendwo hinfliegen? Oder mich einfach ins Auto setzen? Wer keinerlei Kompromisse eingehen muss, der hat umso mehr Verantwortung dafür, wie die Reise schließlich wird. In den ersten Jahren meiner Allein-Reise-Karriere ist mir das tatsächlich schwer gefallen. Keine Kinder, auf deren Bedürfnisse man irgendwie eingehen muss. Kein Partner, der Rücksicht auf die eigenen Befindlichkeiten einfordert.

Zum Üben bin ich zunächst immer nur für ein paar Tage allein weggefahren oder habe Freunde besucht, sodass ich nicht die gesamte Reisezeit ganz auf mich gestellt war. Reiterreisen gehen für mich immer – denn beim Reiten ist man immer ganz automatisch unter Gleichgesinnten, selbst wenn man alleine anreist. Sicher funktioniert das mit anderen Aktivreisen genauso gut – Tauchen, Segeln oder Wandern bieten sich da an.

Bald stellte ich jedoch fest, dass gerade die Reisen, die ich ganz alleine unternommen habe, ganz besonders erholsam waren und tolle Erlebnisse boten. Das liegt natürlich teilweise daran, dass ich sehr gerne in der Natur unterwegs bin – ob nun am Ostseestrand oder im Wald am See. Und Naturerlebnisse sind alleine tatsächlich oft viel schöner als in Gesellschaft. Die Sinne sind ganz auf die Umgebung gerichtet, die Wahrnehmung geschärft, das Körpergefühl verändert sich.
Auf Hiddensee begegneten mir im Wald drei Rehe. Keine zwanzig Meter von mir entfernt – Mutter und zwei Kinder. Großes Glück, das den ganzen Tag anhielt. Wäre ich in einer noch so kleinen Gruppe gewesen, so hätte ich diesen Augenblick ganz sicher nicht erlebt.

Außerdem ein großer Faktor bei der Erholung: Dem eigenen Schlafrhythmus völlig hemmungslos nachgeben. Mal zum Sonnenaufgang aufstehen. Mittagschlaf, wann immer mir danach ist. Vor dem Frühstück schwimmen gehen, ohne auf irgendwen Rücksicht nehmen zu müssen. Essen wann immer ich Lust dazu habe und worauf ich Lust habe. Merke: Feste Essenszeiten sind was für Anfänger. Wenn ich mittags um zwölf eine Waffel mit heißen Kirschen und Sahne will, dann muss ich nicht erst die weitere Planung der Mahlzeiten mit irgendwem besprechen.

Und alleine essen gehen ist viel besser als sein Ruf. Man darf sich nur nicht so wichtig nehmen. Es schaut einen nämlich keiner blöd an, nur weil man allein am Tisch sitzt. Tatsächlich interessieren sich die meisten anderen Menschen in Cafés und Restaurants kein bisschen für andere Gäste. Eher sind sie in ihre eigenen Gespräche vertieft. Oder auch nicht. Im Café bieten sich hervorragende Möglichkeiten zu Gesellschaftsstudien, wenn man sich denn dafür interessiert.
Alles im letzten Urlaub beobachtet oder belauscht: Familien, bei denen mindestens zwei Beteiligte am Handy herumdaddeln anstatt die Aussicht zu genießen. Diskussionen über die Wichtigkeit eines Testaments inklusive Vorsorgevollmacht. Paare, die kaum ein Wort miteinander wechseln.

Manches, was man so im Restaurant mitkriegt, ist höchst interessant und falls es doch einmal langweilig sein sollte, hab ich immer ein Buch dabei. Allerdings kommt das so gut wie nie zum Einsatz. Am spannendsten wird es meist, wenn es irgendwo eng wird, und man sich an einen Tisch dazusetzt. In den letzten Urlauben habe ich so viele interessante Lebensgeschichten gehört wie sonst nie im Alltag. Allein reisen ist eindeutig was für neugierige Menschen, man erfährt so vieles, was man sonst verpassen würde. Mit anderen Alleinreisenden kann man Tipps austauschen oder einfach mal den Nachmittag verplaudern. Echter Urlaub vom Alltag.

Also, ich kann’s nur empfehlen.