Warum Selfpublishing doch eine Lösung ist

In den letzten Monaten habe ich mein Blog vernachlässigt. Das lag nicht daran, dass ich nicht geschrieben habe. Im Gegenteil. Tatsächlich habe ich sehr intensiv an meinem Buchprojekt gearbeitet, das inzwischen einen neuen Arbeitstitel trägt: Zurück daheim – und alles ist fremd. Wie deutsche Expats den Rückkehrschock bewältigen.

Im letzten Jahr ging es hier kaum vorwärts, da ich darauf wartete, dass die mit der Vermarktung des Manuskripts beauftragte Agentur mir hierzu positive Rückmeldungen brachte. Erst dann wollte ich den Text weiter bearbeiten. Nun denn – große Freude im Dezember: Ein renommierter Fachverlag bot mir einen Verlagsvertrag an. Ein paar Tage lang war ich extrem beglückt, obwohl ich die leise Stimme im Hinterkopf schon wahrgenommen habe. Erst einmal den Vertrag abwarten.

Nun, was soll ich sagen? Ich bekam einen Vertrag mit ca. 20 Seiten kleingedrucktem Juristendeutsch zugeschickt. Um das alles zu verstehen, brauchte ich trotz 30jähriger Kenntnis der Branche einen halben Tag. Und wurde immer fassungsloser. Nicht nur dass ich (natürlich) sämtliche Rechte am Werk in welcher Form auch immer bis in alle Ewigkeit abtreten sollte. Das ist an sich schon eine Unverschämtheit, denn warum sollte man als Autor Rechte abtreten (Verfilmung, Hörbuch, alle zukünftigen Nutzungsformen, von deren zukünftiger Existenz man heute noch nichts weiß), deren Wahrnehmung zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses vom Verlag gar nicht geplant ist? Außerdem sollten mir als Autor extrem strenge Regeln, was Terminplanung und Verpflichtungen angeht, auferlegt werden. Das wäre an sich in Ordnung, wenn der Verlag im Gegenzug dazu bei sich ebenso strenge Maßstäbe anlegen würde. Dazu war in den 20 Seiten allerdings nichts vorgesehen. Auch eine bestimmte Menge für die Erstauflage stand nirgends. Die Krönung des Ganzen war jedoch das vorgeschlagene Autorenhonorar. Wohlgemerkt – ich rede hier nicht von einem windigen Druckkostenzuschuss-Verlag, sondern von einem der größten deutschen Verlage für Fach- und Sachbücher.

Wer wie ich die Verlagsszene kennt, weiß, dass es für neue Autoren grundsätzlich sehr schwer ist, angemessene Honorare auszuhandeln. Als gut gilt schon ein Honorar von 8% des Nettoladenpreises. Eine Vorschuss oder gar eine Garantiebeteiligung ist bei neuen Autoren nur in Ausnahmefällen vorgesehen (bei mir also nicht). Wenn ein Titel im Laden 19,95€ kostet, dann kann man sich leicht ausrechnen, wie wenig da für den Autor übrig bleibt (ca. 1,35 pro Buch). Nur wer Tausende Bücher verkauft, verdient also zumindest ein wenig an der eingebrachten Arbeit. Allerdings bis auf wenige Ausnahmen meist deutlich unter Mindestlohn, aber egal. Schließlich geht es ja um Selbstverwirklichung durch Schreiben, das ist nach Ansicht vieler Menschen offenbar keine Arbeit.

Tatsächlich sieht der mir zugeschickte Vertrag jedoch ein anderes Honorarmodell vor. 8% vom Nettoverkaufserlös. Um den Anteil hier zu berechnen, werden vom Nettoladenpreis (siehe oben) noch sämtliche Buchhandelsrabatte (die bis zu 50% betragen können) und sonstigen Kosten abgezogen, die bis zur Bereitstellung des Buches im Buchhandel entstehen (Lektorat, Satz, Druck, Vertrieb). Ganz davon abgesehen, dass der Autor keinerlei Möglichkeit hat, die Kalkulation des Verlags zu überprüfen und quasi blind vertrauen muss, ist schnell klar, dass der Verdienst des Autors pro verkauftem Buch bei der Berechnung auf einer solchen Grundlage auf einen zweistelligen Centbetrag zusammenschrumpft. Ganz offensichtlich ist es also nicht vorgesehen, dass der Autor an seinem Werk etwas verdienen soll. Eine kurze Recherche bei meinen Kontakten ergab, dass diese Fachverlage davon ausgehen, dass ihre Autoren gut dotierte Professorenstellen an Universitäten oder anderswo haben und nur für Ruhm und Ehre publizieren, also auf das Honorar nicht angewiesen sind. (Wer mir eine solche Stelle anbieten möchte, der darf gerne Kontakt mit mir aufnehmen.)

Ich soll also einen Vertrag unterschreiben, damit ich mein Werk verschenken kann und damit alle Rechte abgebe.

Ein paar Tage schwankte ich zwischen Verblüffung und Wut, inzwischen mache ich mir allerdings ernsthafte Sorgen, was das für die Verlagsbranche als solche bedeutet. Auch große Belletristik-Verlage gehen derzeit nicht gerade zimperlich mit ihren Autoren um.
Wenn aber der- oder diejenige, die Inhalte für Verlage liefern, davon nicht leben können und das auch offenbar gar nicht sollen, dann ist es bei den heutigen Möglichkeiten nicht verwunderlich, dass immer mehr versierte Autoren ins Selfpublishing wechseln. Sämtliche Leistungen, die ein Verlag bietet, kann man inzwischen extern einkaufen (Lektorat, Satz, Marketing, Vertrieb, etc.), auch als einzelner Autor. Dazu kommt, dass es immer mehr Netzwerke von Autoren gibt, die sich gegenseitig unterstützen. Arbeits- und finanzieller Aufwand sind kalkulierbar, und als Lohn lockt die komplette Unabhängigkeit von Verlagen – sowohl was die Inhalte als auch was die Ausgestaltung des Produkts angeht. Und dass die Verlage für das Marketing unbekannter Titel und Autoren in der Regel wenig tun, hat sich längst herumgesprochen. Als Selfpublisher kann ich tun und lassen, was ich will und wie ich will. Und am Ende werde ich sicher nicht weniger verdienen als mit einem Vertrag, der so schlechte Bedingungen vorsieht.

Liebe Verlage. Wenn ihr also nicht mehr davon ausgeht, dass Autoren auch von irgendetwas leben müssen, dann wundert euch nicht, wenn es immer weniger Autoren gibt, die mit euch arbeiten wollen. Wer den Kern des Produkts nicht wertschätzt – das ist noch immer der Inhalt! – und seine Autoren nicht gut behandelt, den darf es nicht überraschen, wenn Autoren sich vermehrt nach anderen Möglichkeiten der Veröffentlichung umsehen.

Im nächsten Jahr heißt es für mich also Manuskript inhaltlich auf Vordermann bringen und dann Netzwerke knüpfen zur Veröffentlichung. Dafür alle Freiheiten bei mir. Einen Vertrag brauche ich nicht. Fühlt sich ehrlich gesagt gar nicht so schlecht an.